shine on you crazy diamond

syd barrett
06.Jan.1946-07.Jul.2006


Das Popgewerbe gilt als zynischer als das Kreditgeschäft oder der Fußball. Manchmal glaubt man das sogar. Es ist gerade einen Monat her, da führte Roger Waters in Berlin ein altes Album von Pink Floyd zum ersten Mal komplett und werktreu auf: "The Dark Side of the Moon" von 1973. 15 000 Menschen, viele um die 60, schlossen vor Genuß am Klang die Augen. Der Bassist der rettungslos zerstrittenen Megaband hatte gelegentlich erklärt, daß dieses Schlüsselwerk vom großen Ganzen handle, von den letzten Dingen und vom Dasein. Also eigentlich von nichts.

Es handelte aber vor 33 Jahren von Syd Barrett. Es war der verfrühte Nachruf auf einen sehr kranken Mann, nun ist der Mann 60jährig gestorben. Kurz nach der späten Open-Air-Premiere, die ihn noch einmal zum Mond schickte, auf dessen finstere Seite.

Barrett war der erste Gitarrist der Band Pink Floyd. In Cambridge lud er seinen älteren Schulfreund Roger Waters häufig ein, wenn er mit seiner Band The Mottoes vorm Kamin des Hauses Barrett probte. Seine Mutter nahm es hin als Trauerarbeit für den früh verstorbenen Vater. An der Kunstschule entstand daraus dieses Projekt mit dem verschrobenen Namen, den Syd Barrett aus seinen Idolen fügte, aus zwei reichlich randständigen Musikern des Blues, Pink Anderson und Floyd Council.

Allerdings beließ es Barrett nicht beim Blues. Die späten Sechziger hielten einiges bereit an Drogen, die sich sagenhaft auf alle Künste auszuwirken schienen. Auf der ersten Single "Arnold Lane" ist das zu hören, und noch eindruckvoller auf dem psychedelischen Debüt-Album "The Piper at the Gates of Dawn". Die körperlichen Nebenwirkungen sind schon zu sehen in dem Film, den Peter Whitehead 1966/67 drehte. "14 Hour Technicolor Dream Extravaganza" zeigt das Innere des Londoner Alexandra Palace. Yoko Ono und John Lennon freuen sich hier an den bunten Blasen, die über die Wände wabern, während Barrett an seiner Gitarre kauert und verloren auf dem immergleichen Ton beharrt.

Den letzten Auftritt absolvierte der bereits dem Wahn verfallene Syd Barrett am 20. Januar 1968 mit Pink Floyd in Hastings. Kurz darauf erklärte seine Band, ihn in den Ruhestand geschickt zu haben. David Gilmour übernahm die Rolle mit bekannten Folgen, die Gitarrenlinien wurden lyrischer, die Songstrukturen breiiger. Syd Barrett hatte - viele sagen unter Einflüssen von Pionieren wie Skrjabin und Satie statt unter Einflüssen von LSD und Pilzen - Songs als Sounds gedacht und umgekehrt. Allein spielte er brüchige Lieder ein, die sich kaum anders als vertonte Seelenäußerungen deuten ließen. 1970 kam "The Madcap Laughs" heraus, dann spielte Barrett bei John Peel im Radio, noch im selben Jahr erschien sein letztes Album "Barrett".

Still zog er aus London fort, zurück nach Cambridge und zu seiner Mutter. Er verschwand, wie man so sagt, in Depression und Dunkelheit. Aber das trifft es: Fans berichteten von Sichtungen des immer mythenhafter werdenden Mannes mit den Augenringen. Als gesichert gilt zwischen den seltsamsten Geschichten, daß Syd Barretts Mutter 1991 starb und er seit 1998 auch noch unter schwerer Diabetes litt. Die Zuckerkrankheit wird als Todesursache genannt.

"The Dark Side of The Moon", sein Nachruf, wurde an 25 Millionen Menschen verkauft. All jenen sind die Sprachfetzen vertraut, mit denen Waters schizophrene Schübe musikalisch illustrieren wollte und die Zeile: "If the band you're in starts playing different tunes / I'll see you on the dark side of the moon". Mag deine Band auch heute anders klingen, vielleicht sehen wir uns hinterm Mond

Aber Syd Barrett wird sich nie aus der Musik Pink Floyds verscheuchen lassen. Barrett fliegt als "Crazy Diamond" durch überlange Wohlfühlstücke. Barrett wird, "Whish You Where Here", auch ausdrücklich herbeigewünscht bei allen Soloauftritten der Hinterbliebenen. Und Barrett dient der Band gelegentlich als Grund, sich nicht die eitlen Köpfe einzuschlagen und gemeinsam eine Bühne zu betreten. Ihr schlechtes Gewissen, ihr guter Geist, ihr großes Geheimnis.

via Welt.de

Nächste Konzerte

David Gilmour - München Robbie - Hockenheim Rosenstolz - Berlin Porcupine Tree - Saarbrücken

Auf dem Plattenteller

Frisch gelesen


Steve Tesich, Heidi Zerning
Ein letzter Sommer

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

shine on you crazy diamond
syd barrett 06.Jan.1946-07.Jul.2006 Das Popgewerbe...
Hans_Glueck - 13. Jul, 21:43
dub side of the moon
Hans_Glueck - 13. Jul, 21:34
kicker is aber nicht...
kicker is aber nicht die bild. (außerdem war emotionaler...
dogma2 - 12. Jul, 14:46
lange nicht gehört -...
City : Am Fenster
Hans_Glueck - 12. Jul, 14:42
danke, danke, beim kicker...
danke, danke, beim kicker wurde ich jedoch schwach...
Hans_Glueck - 12. Jul, 14:42

Links

Status

Online seit 6525 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 13. Jul, 21:43

Credits


lange nicht gehört - gänsehaut
lese ich gerne
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren